Hoch lebe das Weichei

Ich werde zur Warmduscherin, Jammerbardin und Nichtsnutzin. Und ich lerne es zu lieben.

Gerade beobachte ich in meinem Umfeld wieder Fälle von Überforderung, des vermeintlich nicht mehr leistungskonformen Funktionierens. Und auch diese Personen drohen an der von unserer Leistungsgesellschaft gehypten Aussage: „Es gibt keine Probleme, nur Lösungen, du musst nur genug dafür tun, dann schaffst du alles!!“ zu zerbrechen.

Ich war über fünfzig Jahre genau in diesem Korsett gefangen. Das Ding ist mit mir von Kindesbeinen an gewachsen. Ich habe es mir ab einem bestimmten Zeitpunkt sogar selbst immer enger geschnürt und fand mich ungeheuer schick damit. Ein bisschen Kaiserin Sissi in mir verlangte nach einer immer schmaleren Taille, sprich noch mehr Engagement und Leistung in allem was ich tat.

Noch in meiner onkologischen Reha bin ich kopfschüttelnd aus dem psychologischen Einzelgespräch gekommen, in dem der Therapeut mir prophezeite ich würde jetzt im Herbst meines Lebens ankommen und solle dies akzeptieren und genießen.

Ich, mit 51 Jahren schon am verwelken? NIEMALS würde ich das zulassen, dachte ich damals auf dem Klinikflur.

Wohin diese Bockigkeit mich geführt hat? Mittenrein und mit voller Wucht in die ME/CFS.

Neun Monate Rückzug auf Bett und Couch haben ein neues Bewusstsein in mir wachsen lassen (Der Zeitraum vielleicht kein Zufall, es kam mir zuweilen wirklich vor wie ein schwanger gehen mit etwas Neuem und Unbekanntem, das nun zaghaft das Licht meiner Welt erblicken durfte).

Ich bin eine Neinsagerin! Pflichtverweigerin! Müssiggängerin! und lausige Gesellschafterin geworden, die oft nicht weiß was sie wirklich will, es aufgegeben hat die Richtung vorzugeben, guten Gewissens Fehler macht und lernt einfach in den Tag hinein zu leben. Und das ohne den Sinn des Lebens erforschen oder eine Art Erleuchtung finden zu müssen.

Fühlt sich so der Herbst des Lebens an? Wenn ja, kommt er mir jetzt gerade recht.

Glück ist, wenn du erkennen kannst

was im Hier und Jetzt dein Herz erfüllt.

Meine eigene Erkenntnis

3 Kommentare zu „Hoch lebe das Weichei

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